Die weibliche Seele der Stadt Augsburg
Teil 3: Der Urdbrunnen
Wenn ich den Dom in Augsburg erblickte, überkam mich immer wieder eine Wut. Ich wusste ja, dass die Christen die alten heiligen Bäume, die die Kelten und Germanen früher verehrten, abholzen ließen und an deren Stelle ihre Kirchen bauten. Und auch für die Hexenverbrennung und allgemein die Unterdrückung der Frau gab ich die Verantwortung der Kirche.
Bevor ich nach Augsburg kam, setzte ich daher nur sehr widerwillig jemals einen Fuß in solch einen Tempel. Doch hier war ich nun auf Entdeckungsreise. Ein Berliner Freund sagte mir einmal, es wäre kaum möglich, in einer Stadt wie Augsburg erfolgreich tantrische Seminare anzubieten. Die Kirche würde dies energetisch verhindern. Diese Aussage machte mich neugierig und ich wollte die Kraft der Kirche ergründen.
Schnell wurde mir klar, dass die christliche Kirche ein Sammelsurium heidnischer Symbolik war. Aus allen möglichen Religionen und Kulturen wurden Elemente verwendet, um die Macht der Kirche zu festigen. Es finden sich Riten, Bräuche und Symbole von den alten Ägyptern, Griechen, Germanen und Römern, aus Mesopotamien, Asien und weiß Gott noch woher sonst. Ganz nach dem Spiegelprinzip will die Kirche genau das vernichten, woraus sie selber besteht: Schwarze Magie.
Der Kampf gegen die Schwesternschaft
So war das Praktizieren von Zauberei und Divination in der Nordischen Tradition hauptsächlich Frauen vorbehalten. Denn wir tragen hierfür eine natürliche Gabe in uns. Doch nun versuchte die katholische Kirche durch die Zerstörung der weiblichen Kraft die Macht an sich zu reißen. Der Protestantismus setzte noch eins oben drauf, indem die Prostitution unter Strafe gestellt und die Frau ausschließlich zur häuslichen Arbeit verdonnert wurde. Sie verlor in jeder Hinsicht ihre eigene Persönlichkeit und existierte nur noch als Ehefrau und Mutter. Das Band der Schwesternschaft wurde endgültig zerstört.
Die Mondsichelmadonna symbolisert die Vernichtung der weiblichen Kraft und hält die Gläubigen weiterhin gefangen. Indem Maria die Schlange zertritt, zerstört sie ihre urweiblichen Instinkte. Die liegende Mondsichel ist als Symbol gleichzusetzen mit den Hörnern der fruchtbaren Kuh. Von der ägyptischen Göttin Hathor noch stolz auf ihrem Haupt getragen, hält Maria sie mit ihrem Fuß in Schach und unterdrückt somit ihre weibliche Sexualität. Hält sie dazu noch das Jesus Kind in den Armen, hat sie ihre Machtposition vollständig abgetreten.
Dies ist eine eindeutige schwarzmagische Praktik der christlichen Kirche. Hier wurde die Weissagung eines (meiner Meinung nach astrologischen) Ereignisses dazu verwendet, ein Symbol zur Unterdrückung der weiblichen Kraft zu kreieren.
Die Norne Urd
Auf meiner Erkundungstour durch die Stadt war ich am nördlichen Ende angelangt. Direkt vor der Stadtmauer zwischen Fischertor und Lueginsland steht der Hexenbrunnen. Es wird erzählt, dass die zur Verbrennung verurteilten Frauen hier ihren letzten Schluck Wasser trinken durften. Die Wahrheit dieser Geschichte lässt sich jedoch nicht wirklich belegen.
Eingehend betrachtete ich die verwitterte, hölzerne Figur und sah eine alte Frau, die mich an eine Indianerin erinnerte. Ich erkannte in ihr die Schönheit und Stärke der weisen Frau. Meine Ehrerbietung zeigend, opferte ich ein Geldstück durch die Gitterstäbe hindurch mithilfe einer schmalen Wippe, über die man früher Wasser schöpfen konnte.
Es ist sehr aussagekräftig, dass diese Figur hinter Gittern steht. Natürlich wurden die Eisenstäbe angebracht, um sie vor Vandalismus zu schützen, so wie viele andere Augsburger Brunnen auch. Auf mehreren Ebenen siegt hier wieder der ruhmreiche Held Herkules über die wilde Hydra.
Vor dem Brunnen befindet sich ein Spielplatz. Es ist nicht das erste Mal, dass ich besonders starke Energien an einem Ort wahrnehme, an dem sich auch ein Spielplatz befindet.
Ich musste an den Urdbrunnen aus der Nordischen Mythologie denken. Der Brunnen der Norne Urd, die Akasha Chronik des Nordens, enthält die kollektive Erinnerung der Menschheit. Die drei Nornen Urd, Werdandi und Skuld verkörpern die drei Aspekte der Zeit: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. So fand ich auch auf diesem Spielplatz ausschließlich drei Kräfte, die wirkten: eine Schaukel, eine Wippe und ein Karussell.
Die Kali erwecken
An einem ungemütlichen, regnerischen Tag zog es mich doch noch einmal in den „Dom unserer lieben Frau“ hinein. Der ursprünglich romanische Bau wurde im Laufe der Zeit im gotischen und barocken Stil erweitert. So wurde auch eine barocke Marienkapelle hinzugebaut. Da es der einzige für mich angenehme Ort in dieser Kirche war, setzte ich mich dort auf eine Bank. Ich fühlte mich ein wenig wie in einem Barbie Puppenhaus. Alles war so lieblich und golden.
Die Marienfiguren bestehen üblicherweise aus Lindenholz, da dieses zum Schnitzen besonders geeignet ist. Die Linde ist der Baum der Göttin Freia (oder auch Freyja), der germanischen Göttin der Liebe und der Zauberei. Auch sie ist wie die Augsburger Cisa eine Dise.
Als mich der Ort anfing zu langweilen, stieg ich hinunter in die Krypta. Hier steht eine romanische alpenländische Madonna. Neugierig ließ ich mich ihr gegenüber auf eine Bank nieder und ging in die Meditation. Nun wurde es interessant. Eine dunkle, zornige, mächtige Energie erwachte in meinem Schoß. Mir kam die hinduistische Göttin Kali in den Sinn und ich konnte mir ein abfälliges Lachen nicht verkneifen.
Dies war die letzte Station auf meiner Entdeckungsreise. Natürlich konnte ich hier nur einen Auszug aus meinen Erlebnissen wiedergeben. Noch dazu möchte ich betonen, dass alle Aussagen nur auf meinen Erkenntnisse beruhen und jeder Mensch ganz individuelle Erfahrungen an den selben Orten machen kann.
Was ist nun das Ergebnis meiner Forschungen?
Die Kirche kann noch so hohe Phallustürme bauen, irgendwann fallen sie wieder in sich zusammen. Doch der Stein bleibt immer Stein, egal in wie viel Teile er zerschlagen wird.
Man kann die heiligen Bäume zwar fällen und Kirchen stattdessen bauen, aber die Energie des Ortes bleibt und eröffnet sich jedem, der dazu bereit ist, sie zu empfangen.
Die Symbolik der Kirche wirkt nur so lange ich im kollektiven Unbewussten verhaftet bin. Ich entscheide selber, ob ich mich davon beeinflussen lassen will oder nicht. So wird die Madonna zur Unterdrückerin oder zu bemaltem Lindenholz.
Die wichtigste Erkenntnis von allen ist die Gewissheit, dass die weibliche Kraft vielleicht in unserer patriarchalen Gesellschaft aktuell noch nicht in Erscheinung tritt. Doch in der Erde, da brodelt es. Und das Wissen aller Frauen ist für immer im Urdbrunnen gespeichert und wartet nur darauf, wieder ans Tageslicht gebracht zu werden.
Weiterlesen:
Teil 1: Die Göttinnen
Teil 2: Die Drachentöter
Teil 3: Der Urdbrunnen
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